DU BIST MEINE MUTTER

Der Sonntag gehorcht einem Ritual: Der erwachsene Sohn macht sich auf den Weg zu seiner an Demenz erkrankten 80-jährigen Mutter, die in einem Pflegeheim lebt. Jeden Sonntag lockt er sie für ein paar Momente zurück in die normale Welt. Er hilft seiner Mutter beim Anziehen und bespricht mit ihr die immer gleichen Dinge: Das Leben macht keinen Spaß mehr. Tante Sina hat Tabletten bekommen, aber sie nicht. Und wildfremde Leute kommen zu Besuch und tun so, als würde man sich kennen.
Das Leben der Frau findet seine Realität nur noch von Begegnung zu Begegnung, und sie sucht in ihrem Sohn den Halt für ihren verwirrten Geist.

Der Sohn im Dialog mit der Mutter - kämpfend, ringend, fragend, zärtlich zugewandt - sucht das Unausweichliche zu überwinden.


Mutter: Man ist einfach ein Blatt an einem Baum, das runterfällt und vergeht. Siehst du den Baum da, so schön mit dem … weil das Licht da so … ich bin nie … ich wusste nie, dass es so, so schön sein kann. Alles ist so schön, und du, du strahlst so. Wie jung du bist! Wie alt bist du eigentlich?

Paul: Was denkst du, Mutter?

Mutter: Nun, zwanzig, dreißig.

Paul: Nein, ich bin schon fünfundvierzig.

Mutter: Bist du schon fünfundvierzig?

Paul: Ja, und wie alt, denkst du, bist du selbst?

Mutter: Auch so vierzig, dreißig vielleicht.

Paul: Nein Mutter, du bist schon achtzig.

Mutter: Bin ich schon achtzig? Das hättest du dir doch nie träumen lassen.

Paul: Aber Mutter, du kannst doch nicht genauso alt sein wie ich.

Mutter: Das stimmt, ich bin ja schließlich deine Mutter.

Paul: Ja.


Jakob (Joop) Admiraal.

Der niederländischer Schauspieler, Autor und Filmemacher wurde am 26. September 1937 in Ophemert geboren und starb am 25. März 2006 in Amsterdam, Noord-Holland.
Für sein Solostück für zwei Rollen, Du bist meine Mutter aus dem Jahre 1981, wurde er mit dem Prix Louis d'Or ausgezeichnet. Das Stück wurde verfilmt und erhielt den Pulitzer-Preis.
In Deutschland wurde das Werk mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet.